Eines Tages dachte ich über einen Plot für eine neue Kurzgeschichte nach, und da tauchte sofort dieses Bild einer alten Dame auf, die sich nachts an einem Bettlaken über das Balkongeländer eines Altenheims abseilt. Nur blöd, dass das Laken zu kurz ist und sie hilflos wie eine Kirchturmglocke in der Dunkelheit über dem Rasen baumelt. Und nun?
Ich schloss die Augen und ließ dieses Bild auf mich wirken. Emma würde nicht alleine zurechtkommen und brauchte eine Fluchthelferin. Kaum war dieser Gedanke zu Ende gedacht, taucht Jule auf, eine junge Frau mit Rastalocken und schweren Stiefeln. In meinem Kopfkino kommt sie aus der Dunkelheit einfach auf Emma zugelaufen.
Ich brauchte im Grunde nur zuzusehen, was die beiden Frauen als Nächstes tun. Jules schnodderige und Emmas vornehme Art bargen so viel Potenzial, dass mir schnell klar wurde, die beiden brauchten mehr Raum, als nur in eine Kurzgeschichte gepackt zu werden. Und so ging der ganze Spaß los.
Es war wirklich ein großer Spaß, diese Bücher zu schreiben. Emma und Jule haben ein überraschendes Eigenleben entwickelt, so dass ich manchmal lachend vor meinem PC saß und mich fragte, wer sich hier die Geschichte ausdachte – sie oder ich?
Und irgendwann kam Sandro hinzu! Jule flieht aus ihrem Fenster, weil Steve, ein Kleinkrimineller, hinter ihr her ist. Jeder Mensch wäre an der Feuerleiter nach unten in den Hof geklettert, aber Jule nicht. Sie klettert stattdessen nach oben. Ich fragte mich, was sie da tat. Ein offenes Fenster, sie steigt ein, und da liegt Sandro, ihr italienischer Freund, auf seinem Bett und hört Musik. Das kam sogar für mich überraschend, und ich sagte: Gut – wenn er sich in die Geschichte einfügt, dann darf er bleiben. Sandro hat seinen Job mit Bravour erledigt und zu Emmas Freude durfte er bleiben.
Im Laufe der Zeit sind wir alle zu einem genialen Team geworden. Jule brachte Chaos, und ich durfte es sortieren. Fast so wie im richtigen Leben …